Das Corona-Forschungsarchiv ist eine Sammlung von Studien und Forschungsergebnissen über die gesellschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie. Befunde zu sozialen Auswirkungen und gesellschaftlichen Herausforderungen werden hier nach unterschiedlichen Themenschwerpunkten dokumentiert, systematisiert und aufbereitet dargestellt.
Während politisch die letzten Corona-Schutzmaßnahmen ausgelaufen sind, setzt nun die wissenschaftliche Vermessung der Covid-19-Krise richtig ein. Nach drei Jahren Pandemie ist die Zeit der Bilanz gekommen. Einen Beitrag hierfür liefert das neu erschienene Buch „Gleichzeitig ungleich. Inmitten der pandemischen Arbeitswelt“. Darin blicken Sarah Herbst, Rüdiger Mautz und Berthold Vogel insbesondere auf das Frühjahr 2021 zurück. Ihre soziologischen Analysen zeigen, dass es sich hierbei um eine Schlüsselphase der Pandemie handelt. Denn in ihrer Sozialreportage berichten sie über Solidarität und Spaltung, über Potenziale, aber auch über Mängel und Defizite in unserer Gesellschaft und Arbeitswelt.
Die neu erschienene Publikation „Gleichzeitig ungleich. Inmitten der pandemischen Arbeitswelt“ spielt im Frühjahr 2021. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich Deutschland immer noch im zweiten, mittlerweile über Monate anhaltenden Lockdown. Die Gemüter sind angespannt, aber durch die bereits begonnene Impfkampagne wächst die Hoffnung, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Schnell ist klar: Corona ist eine existenzielle Erfahrung, die keinen Ort der Gesellschaft unberührt lässt. „In diesem zeitlichen Kontext entstand unser Forschungsvorhaben, die Krisenerfahrungen verschiedener Berufstätiger zu erheben. Wir interessierten uns für die Spannungen und Ambivalenzen, mit denen die Gesellschaft im Verlauf der Pandemie zunehmend konfrontiert wurde. Denn die Erfahrungen, die die Menschen machen, sind sehr unterschiedlich“, berichtet Sarah Herbst, wissenschaftliche Mitarbeiterin am SOFI. „In der Arbeit und im sozialen Alltag vollzog sich gleichzeitig sehr viel Ungleiches“, kommentiert Berthold Vogel, Mitautor und geschäftsführender Direktor des SOFI, den zeitlichen Ausgangspunkt der Studie. „Manche privilegierte Position kam in der Pandemie unter Druck, manche benachteiligte Position erhielt einen Aufmerksamkeitsschub und Wertschätzung. Das betrifft, irritiert und verändert die Arbeitswelt, die wir bisher kannten,“ betont der Göttinger Soziologe.
Insgesamt führte das Team zwischen April und Mai 2021 60 Interviews mit verschiedenen Berufstätigen – von der Altenpflegerin über den Bademeister bis hin zum Tontechniker. Der nun erschienene Band illustriert die Schlüsselphase der Pandemie und portraitiert unterschiedliche Arbeits- und Lebensgeschichten zwischen Viruswelle und Impfkampagne. „Zum einen sind das Beschäftigte, die sich in der Krise für das Fortbestehen gesellschaftlicher Abläufe, öffentlicher Versorgung und systemrelevanter Aktivitäten einsetzten. Und zum anderen Menschen, die extrem unter den Maßnahmen litten und ihren Beruf lange nicht ausüben konnten“, beschreibt Rüdiger Mautz, Senior Research Fellow am SOFI, das Sample. Den Autor:innen lag viel daran, den pandemischen Erfahrungen und Belastungen eine Stimme zu geben. An vielen Stellen geht es um Privilegien und Ungewissheiten, um Verwundbarkeit und Widerstand, um die scheinbar nicht enden wollende Gegenwart und um vage Zukunftshoffnungen. Die interviewten Beschäftigten berichten über die Beobachtungen im Kleinen und nehmen Stellung zu den gesellschaftlichen Verschiebungen im Großen.
Sarah Herbst, Rüdiger Mautz und Berthold Vogel legen mit der Studie eine Sozialreportage über Produzent:innen des Alltäglichen und Reproduzenten sozialer Normalität vor, deren Geschichten die Komplexität der pandemischen Erfahrungswelten bezeugen. Drei zentrale Konfliktfelder stehen im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diagnose: Es geht um berufliches Anerkennungsempfinden, um politisches Vertrauen und um Zusammenhaltserfahrungen. Die empirische Studie dokumentiert die Corona-Pandemie. Doch sie leistet noch mehr, indem sie Erfahrungen, Sorgen, Haltungen und Ideen gesellschaftlicher Krisenbewältigung festhält – nicht als Vergangenheitsspeicher, sondern als Zukunftsvorrat.